Aus dem Bereich Sport – Fußball und Formel I

Das Titelbild wurde mit KI erstellt.

Es ist ein zahlungspflichtiger Artikel.
Daher habe ich ihn hier kopiert.

Das Original gibt es hier: https://www.diepresse.com/18386041/das-spektakulaerste-eigentor-der-welt


Er ist „nur“ ein Fußballer:
Rodrigo Hernández Cascante
Er betreibt keinen Social-Media-Account und hat keine schnellen Autos in der Garage. Dafür ein abgeschlossenes Wirtschaftsstudium. Und auch als er schon Nationalspieler war, wohnte er weiterhin im Studentenheim.


Das – mittlerweile – Milliardengeschäft Fußball und Formel I.

Es geht nur mehr um Geld.
Geld, Geld, Geld.

Ich halte diese Summen, die da im Spiel sind, einfach nur mehr für verrückt.


Das spektakulärste Eigentor der Welt

Mehr Spiele, mehr Turniere, mehr Rennen – und das, obwohl das Limit längst überschritten ist. Die Sportwelt hat sich dem Wachstumszwang untergeordnet, die Pause wurde abgeschafft – und jene, die die Kassen erst klingeln lassen, bleiben auf der Strecke. Ein Kontroverse.

Rodri ist nicht nur der beste Sechser seiner Generation, er ist auch ein wahrlich ungewöhnlicher Fußballer. Der 27-jährige Spanier dirigiert bei Manchester City im zentralen Mittelfeld, seine Passquote ist praktisch makellos, im Zweikampf ist er eine Macht, und er schießt auch noch wichtige Tore, wie den Siegtreffer im Finale der Champions League im Vorjahr.

So dominant Rodri als Taktgeber auf dem Fußballplatz auftritt, so bescheiden gibt er sich abseits davon. Er betreibt keinen Social-Media-Account und hat keine schnellen Autos in der Garage. Dafür ein abgeschlossenes Wirtschaftsstudium. Und auch als er schon Nationalspieler war, wohnte er weiterhin im Studentenheim.

Vor allem aber ist Rodri ein Erfolgsgarant. Steht er auf dem Platz, ist der Gegner machtlos. 48 Spiele hat er in dieser Saison bereits für Manchester City und Spaniens Nationalteam bestritten und nur zwei davon verloren – jeweils im Elfmeterschießen.

Nun, in der entscheidenden Phase der Saison, wenn das Titelrennen so richtig Fahrt aufnimmt, ließ Rodri aufhorchen. „Ich brauche eine Pause“, erklärte er. „Um ehrlich zu sein, wir müssen pausieren.“

Gewinner und Verlierer. Er wird natürlich keine Pause bekommen. Manchester City ist auf dem Weg zur Titelverteidigung in der Premier League, es warten unzählige englische Wochen. Danach wird Rodri statt sich in die Sommerpause zu verabschieden, mit Spanien die EM 2024 ins Visier nehmen, und Schlag auf Schlag geht es weiter: Der englische Fußball kennt auch kommende Saison keine Winterpause. Im Frühjahr 2025 wird er zusätzlich mit Spanien als Titelverteidiger die Uefa Nations League bestreiten, im Sommer 2025 dann mit Man City versuchen, die Premiere der neuen Fifa-Klub-WM zu gewinnen. Und im Sommer 2026 wartet die erste XXL-Fußball-WM in Nordamerika.

»»Es ist schwierig, in dieser Saison einen Moment zum Durchatmen zu finden.««Rodri

Manchester-City-Star.

Freilich wird Rodri für all seine Strapazen fürstlich entlohnt, und doch zeigt sein Fall, was in der Sportwelt gerade vor sich geht: Das Spektakel hört niemals auf, die Pause, das Abschalten und Durchatmen, ist abgeschafft. Stattdessen werden immer weitere Spiele, Turniere und Rennen ausgelobt, um noch mehr TV-Rechte zu verkaufen, noch mehr Märkte zu erobern und noch mehr Geld zu verdienen. Wer dabei scheinbar keine Rolle spielt: die Athleten, die dieses Spektakel erst möglich machen und längst an ihrem Limit angekommen sind; das Publikum, das am Ende die Rechnung bezahlt, das ganze Treiben aber nicht mehr zu überblicken vermag; der Sportfan, der zwar für die notwendige Kulisse sorgt, aber sonst auf der Strecke bleibt.

Als Argument für jeden neuen Bewerb, jedes aufgeblähte Turnier und jeden PR-Trip wird „Wachstum“ angeführt. Fällt dieser Begriff, wird nicht lang über Auswirkungen nachgedacht, sondern abgenickt. Schließlich ist Wachstum das Ziel allen Wirtschaftens, warum sollte das im Sport anders sein.

Das neueste Unterfangen unter dem Wachstumsmantra: Der Fußballweltverband Fifa wird dem eigenen Wortlaut zufolge „in Erwägung ziehen“, jenes Reglement zu verändern, das es derzeit verbietet, nationale Meisterschaftsspiele in anderen Ländern auszutragen. Hintergrund ist eine Klage der Relevent Sports Group in New York, die nur allzu gern ein spanisches Ligaspiel des FC Barcelona in Miami veranstalten wollte. Nun will man gemeinsame Sache machen, schließlich geht es um Wachstum. Gleich zweimal fällt der Begriff in den entsprechenden Statements. „Wir freuen uns auf die Partnerschaft mit der Fifa, um das weltweite Wachstum des Spiels zu unterstützen“, wird etwa Relevent-CEO Daniel Sillman zitiert.

Wie sehr der Erlös und nicht der Sportfan im Mittelpunkt sämtlicher Strategien steht, zeigt auch die Auktion der Medienrechte der deutschen Fußball-Bundesliga, die dieser Tage an einem geheimen Ort begonnen hat. Für die Jahre 2025 bis 2029 werden insgesamt 15 verschiedene Rechtepakete an die meistbietenden Sender verkauft, ein Fleckerlteppich von Liveübertragungen über Audio bis digitale Außenwerbung, kaum zu überblicken, und doch stehen die Medienunternehmen Schlange. Schon jetzt ist klar: Von den insgesamt 617 deutschen Bundesligaspielen pro Saison werden bestenfalls neun im frei zugänglichen TV zu sehen sein. Wahrscheinlicher ist, dass die Fans ab 2025 noch mehr Pay-TV- und Streaming-Abonnements benötigen, um die Livespiele verfolgen zu können. Aktuell reichen dafür noch zwei Abos (Sky, Dazn, jeweils rund 30 Euro/Monat). Im Vorfeld hieß es außerdem, dass Amazon jemand sei, mit dem man rechnen sollte. Deutlich über eine Milliarde Euro pro Saison will die Deutsche Fußball Liga DFL so lukrieren.

Netflix und Wüste. Vorbild von alledem ist die Formel 1. Dort herrscht auf den Rennstrecken zwar Fadesse sondergleichen (20 der jüngsten 22 Grands Prix hat Max Verstappen gewonnen), aber die Kassen klingeln wie nie zuvor. Um die Gelddruckmaschine weiter anzukurbeln, wird heuer der Rekordwert von 24 Rennwochenenden in einer Saison erreicht. Zum Missfallen von Weltmeister Verstappen: „24 Rennen im Jahr sind zu viel“. Geradezu bedrohlich der Blick auf die dortigen Ticketpreise von mehreren Hundert Euro. So kostet der günstigste Sitzplatz für den Grand Prix von Österreich in Spielberg am 30. Juni – ohne Sichtbehinderung, dafür abseits der Start-Ziel-Gerade – den PS-Fan 225 Euro (Vollpreis).

Ganz nach Formel-1-Vorbild will nun auch jeder Sport seine eigene Netflix-Serie. Und nach Saudiarabien, wo es bei Antrittsprämien, Preisgeldern und sonstigen Vergütungen kein Limit nach oben mehr gibt. Dafür werden auch schnell Prinzipien über Bord geworfen wie etwa im Damentennis, das unter dem scheinheiligen Argument, man würde damit den Wandel vorantreiben, heuer erstmals die WTA Finals, das prestigeträchtige Saisonabschlussturnier, in Riad austragen wird. In einem Land, in dem die Kluft zwischen Frauen und Männern selbst auf dem Papier noch enorm ist.

Dass zusätzliche Turniere, weitere Teilnehmer und noch mehr Rennen die Attraktivität eines Sports steigern, ist eine Mär. Neue Schauplätze haben selten das Zeug zu Klassikern, und verfügt eine Sportart über solche, tut sie gut daran, deren Einzigartigkeit zu zelebrieren, statt sie inflationär auszuweiden. Letzteres ist im Skiweltcup mit dem Abfahrtsdoppel von Kitzbühel geschehen, das nun gegen den Widerstand der Veranstalter wieder abgeschafft wurde.

Den Beweis dafür, dass die Wertigkeit vielmehr durch Wachstumsstreben und Gigantismus leidet, wird die Fußball-WM 2026 in den USA, Kanada und Mexiko antreten. Sie wird über fünf Wochen lang dauern, erstmals werden 48 Mannschaften mit von der Partie sein, es wird 104 (!) Spiele geben. Für ein Durschnaufen, eine kurze Besinnung oder – aus Sicht der Sportler – eine Reflexion des Geleisteten, ist in einem solchen Kalender kein Platz vorgesehen. Auch die Mega-WM ist ein Prestigeprojekt von Fifa-Präsident Gianni Infantino, und hier ist die Gleichung relativ schlicht: mehr Teilnehmer = mehr Spiele = mehr TV-Zeit = mehr Geld.

Bittere Perspektiven. Fußballstar Rodri weiß das als studierter Betriebswirt nur zu gut, vor allem spürt er es am eigenen Körper. Bis Saisonende wird der Spanier über 60 Partien gespielt haben. Und er spricht an, was am Ende dieser Entwicklung stehen wird – und was Infantino und Co. nicht verstehen wollen. „Das ist nicht gut für das Spektakel. Je ausgeruhter ein Spieler, desto besser ist das Spektakel“, sagt er. „Der Fußball bewegt sich in eine Richtung, in der es keine Pausen mehr gibt.“


Robert (Übersicht)

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